...der dann doch nicht veröffentlicht wurde,aber hier dokumentiert wird.
Als die „Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“ im Sommer 2020 veröffentlicht wurden, hat sich der Vorstand des Pfarrvereins intensiv damit und mit der Frage befasst, wie damit umzugehen sei. Im Zuge dieser Beratung ist die Idee dieses offenen Briefes entstanden, der mit der Möglichkeit, ihn zu unterschreiben, an alle Vereinsmitglieder versandt werden sollte. Da in der Zwischenzeit die „Elf“ durch die „Zwölf Leitsätze“ ersetzt wurden und die öffentliche Diskussion damit zunächst beendet war, haben wir davon abgesehen, ihn zu versenden.
Wir dokumentieren ihn hier nun nachträglich als Entwurf und möchten damit veranschaulichen, wie sehr die Diskussion um die „Elf Leitsätze“ uns aufgewühlt und beschäftigt hat. Deren Neufassung als „Zwölf Leitsätze“ ist nun sehr viel vorsichtiger vorgenommen und mit einem - wenn auch nachträglich aufgesetzt wirkenden - theologischen Gedankengang versehen worden. Aber das Anliegen der zwölf Sätze ist exakt das selbe wie das der verworfenen Elf Sätze.
Da für unseren Beruf als Pfarrerinnen und Pfarrer sehr viel davon abhängt, wie die Entwicklung auf EKD-Ebene weitergeht, werden wir sie mit kritischem Blick, aber auch mit einer uns alle verbindenden Solidarität mit unserer Kirche weiter verfolgen. Mit den „Zwölf Leitsätzen“ hat das Gespräch darüber weder begonnen - uns ist es wichtig, die heftige vorhergehende Diskussion um die „Elf Leitsätze“ in Erinnerung zu behalten. Noch wäre es in unserem Sinne, wenn sie mit deren Verabschiedung auf der EKD-Synode (gleichzeitig zum geplanten Pfarreinnen und Pfarrertag) zu Ende wäre. Die in diesem Entwurf zum Ausdruck gebrachten Anliegen haben sich damit keinesweges erledigt. Das vereinsinterne Gespräch darüber wird auf der neuen Blog-Seite des Pfarrvereins pfarrverein-rheinland.de fortgeführt werden können.
Hier nun der Wortlaut:
Wir zweifeln nicht daran, dass die Kirchen vor großen Herausforderungen stehen. Wir sind aber gewiss, dass sie auch in Zukunft für das Leben der Menschen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft größte Bedeutung haben werden. Wir sind verantwortlich dafür, dass unsere Kirche auch in Zukunft das Wort Gottes in Gesetz und Evangelium verkündigt und Gottes Versöhnung, Menschenwürde, Hoffnung und Achtsamkeit den Prinzipien von Stärke und Macht, Leistungsfähigkeit und Konkurrenz entgegenhält. Die Gesellschaft braucht die Kirche, um nicht von Selbstbehauptung und Vergeltung dominiert zu werden. Die Kirche fördert die Beteiligung aller Menschen an der Gestaltung des Lebens in Vielfalt.
Unsere Evangelische Kirche kann diese Verantwortung nur wahrnehmen, wenn sie tatsächlich und im ursprünglichen Sinne evangelisch ist. Nur als reformatorische Kirche ist sie „Kirche der Freiheit“, indem sie
- auf das eine Wort Gottes als einzige Offenbarungsquelle ihrer Verkündigung hört;
- sich seinem Zuspruch und Anspruch stellt und die Botschaft von der freien Gnade Gottes ausrichtet an alles Volk;
- · den Gemeinden vor Ort die Verantwortung für sich selbst zurückgibt;
- die Gemeindeglieder zur Freiheit und Dienstbarkeit eines Christenmenschen und; zur Wahrnehmung des Priestertums der Getauften berufen sieht und zurüstet;
- die Menschen in der Gemeinde folglich nicht als Kunden eines Dienstleistungsunternehmens oder als Betreuungsfälle einer Behörde sieht, sondern als Schwestern und Brüder und Glieder am Leib Christi; die Unabhängigkeit des Predigtamtes und die Freiheit des Pfarramtes wiederher stellt und bewahrt.
Unsere Evangelische Kirche wird sich überfordern und scheitern, wenn
- weiterhin und zunehmend die Gemeinden und ihre Mitglieder bevormundet werden und ihnen die Möglichkeit genommen wird, für sich und ihre Gemeinden vor Ort die Verantwortung zu übernehmen;
- die Ortskirchengemeinden zu immer größeren Einheiten und Regionen zusammengesetzt und fusioniert werden, so dass von Gemeindekirche im neutestamentlichen Sinne nicht mehr gesprochen werden kann;
- die Verwaltung in unüberschaubare, immer größere und komplexere Systeme aufgerüstet wird, was zu immer höherem Verwaltungsaufwand und also Mehrkosten führt;
- die Leitung der Kirche immer mehr zur zentralen Steuerung wird statt sich als Dienst für die Gemeinden zu sehen in Aufsicht, Ermahnung und Ermutigung, Vermittlung und Repräsentanz;
- wenn sie endlos „Struktur-und Reformprozesse“ mit einer Flut von „Papieren“, wie zuletzt die Zwölf Leitsätze der EKD „Hinaus ins Weite – Kirche auf gutem Grund“, initiert und betreibt, statt aufgeschlossen zu sein für eine notwendige und wirkliche Reformation unserer Kirche.